Wie können wir Szenographien in der virtuellen Realität in Echtzeit gemeinsam erarbeiten?
Taktile Sensibilität in der virtuellen Welt
Inszenierung virtueller Bühnen-Module:
Kollaborative Szenographie mit 3D-Scanning im kreativen VR-Workflow
Wann
23. und 24. April 2024
Wo
Studiengang Bühnenbild der UdK Berlin, Lietzenburger Str.45
Art/Umfang
2 Workshops (je 4 Stunden)
Studierende / Studiengänge
Bühnenbild – Klasse Audick (11 Studierende)
Beteiligung InKüLe
Konzeption, Durchführung und technische Unterstützung
Begleitet von
Maria Kyrou, Franz Siebler, studentischer Mitarbeiter Aron Petau
Hardware
Oculus Quest 2, iPads
Software
Meta Sparks Studio, Polycam, Blender, Gravity Sketch
Kontext und Lernziele
Im Mittelpunkt des zweitägigen Workshops standen Experimente kollaborativen Arbeitens in Echtzeit in der virtuellen Realität, bei denen 3D-Scantechnologien mit der Arbeit an VR-Skizzen kombiniert wurden. Damit schloss dieser Workshop an das vorherige Lehrangebot von InKüLe – Fluid Trajectories – an und differenzierte das bereits erarbeitete Vermittlungsangebot der sessions_vr gezielt für den Studiengang Bühnenbild im Bereich szenographisches Arbeiten aus. Der Fokus der beiden Kurzworkshops galt demnach, die Möglichkeiten des VR-Mediums als kreatives Tool für Szenographie neu auszuloten.
Co-Kreation und Zusammenarbeit
Die Kombination zwei verschiedener digitaler Medien sollte die Studierenden anregen, kritisch das spezifische und sich ergänzende kreative Potenzial dieser Gestaltungstools zu erkunden und zu reflektieren. Zunächst erarbeiteten die Studierenden angeleitet durch Wahrnehmungsübungen im physischen Raum 3D-Scans der im Raum existierenden Objekte und Materialien. Angeregt wurde, ein Gespür für die Vielfalt sensueller Eindrücke wie etwa der taktilen Eigenschaften von Objekten zu bekommen, die in einem weiteren Schritt als Gestaltungshorizont für das Arbeiten in der virtuellen Welt transferiert werden sollten.
Die Einbindung der 3D-Scans und ihrer Modelle in den virtuellen Raum erschloss den Studierenden – in einem weiteren Arbeitsschritt – die Breite an kreativen Möglichkeiten beim VR-Skizzieren auf der Basis der detailreichen und realistischen Formgebungen ihrer bereits erarbeiteten 3D-Scans. Zugleich wurde das VR-Skizzieren Dank seiner kreativen Möglichkeiten als Plattform für kreative Zusammenarbeit genutzt. Ziel des Workshops war, aufzuzeigen, wie eine VR-Anwendung über eine funktionsgebundene Anwendung hinaus kreativ erweitert werden kann.
Die beiden in den Workshops verwendeten digitalen Medien gehören zu zwei der von InKüLe entwickelten Toolkits, die wir im Laufe des Jahres 2024 in Workshops künstlerisch getestet und vermittelt haben. Dabei standen jeweils das Ausloten der kreativen Möglichkeiten und die praktische Erkundung der einzelnen Tools im Mittelpunkt, gerahmt von mediendidaktischen Heranführungen und Erläuterungen zum Gestaltungspotential der Tools.
Inhalt und Lernformat
Die erste Workshopeinheit war dem 3D-Scannen – und damit dem Einsatz des InKüLe Capturekit gewidmet – und zettelte einen Erkundungsprozess an. Hierbei sollten die Studierenden verschiedene physische Objekte in 3D-Scans zusammensetzen, wobei sie sowohl mit Photogrammetrie als auch mit den LiDAR-Scan-Techniken der Polycam-App auf den bereit gestellten iPad Pro-Tablets arbeiteten. Der reale Raum des Workshops bot Inspiration und Referenz.
Die 3D-gescannten Objekte reichten von zuvor erstellten maßstabsgetreuen Modellen bis hin zu improvisiert gestalteten Objekten in realer Größe, die im Studio verfügbar waren. Der spielerische Zugang zum 3D-Scannen schloss ebenso das gegenseitige Scannen der Teilnehmenden ein, so dass in einigen 3D-Scans auch menschliche Körper einbezogen wurden. Hierdurch entstanden hybride Mischungen, die szenographische und choreographische Aspekte miteinander verband.
Hybride Kombination aus szenographischen Modulen
Der zweite Tag des Workshopformats konzentrierte sich auf die Nutzung der Gravity Sketch App als kollaboratives VR-Tool für eine szenographische Entwurfspraxis. Diese von InKüLe bereits erprobte Anwendung weicht von der üblichen Funktion von Gravity Sketch ab und erfordert eine kreative Interpretation der Werkzeuge in der VR-App und einen kreativen Umgang mit den programmierten Limitierungen.
Praktisch bedeutet dies, eine sorgfältige Reduzierung der Auflösung jedes 3D-Scans in der 3D-Software Blender vorzunehmen, so dass die Scans für die Verwendung in den VR-Oberflächen leicht handhabbar werden. Während des Workshops war der Erkundungsprozess in zwei klare Schritte gegliedert, für die jeweils ein eigener VR-Lernraum geschaffen wurde. Zunächst arbeiteten die Studierenden mit den 3D-Scans in VR im Maßstab von 1:1 – äquivalent zur Größe des menschlichen Körpers. Innerhalb des VR-Lernraums unterstützten verschiedene visuelle Hilfsmittel diesen Prozess und halfen den Studierenden, ihre VR-Raumwahrnehmung zu trainieren. In einem zweiten Schritt wurden alle erstellten VR-Modelle in einem neuen VR-Kollaborationsraum gesammelt und auf den Maßstab eines großen Objekts reduziert. Durch die Kombination dieser beiden Maßstäbe wurden die Studierenden angeleitet, ihr gemeinsames Material zusammenzustellen und zu erweitern, was zu dem endgültigen gemeinsamen Entwurf führte.
Kreative Interpretation der Limitierungen der VR-App
Am Ende eines jeden Workshopteils fand eine Diskussionsrunde statt, in der die Studierenden ihre Erfahrungen des Tages reflektierten und sich darüber austauschten, wie sie das Gelernte in ihrer persönlichen kreativen Arbeit weiter umsetzen können. Zugleich fanden besonders bei diesen Workshops in den Pausen viele spontane Diskussionen statt, die sich um aufgetretene Probleme oder kreative Ideen drehten.
Kreatives „Hacking“ der neuen digitalen Medien
Mediendidaktische Reflexion
Dieses Lernformat arbeitete mit dem Potential zweier verschiedener innovativer Medien, um sie für eine spezifische kreative Disziplin in Kombination nutzbar zu machen. Der aufeinander aufbauende Arbeitsgang lud die Studierenden ein, das komplementäre Potential von 3D-Scannen und VR-Skizzieren für einen kreativen Gestaltungsprozess zu erkunden. Hierzu förderte der Workshop eine Kultur der kreativen Aneignung und kritischen Interpretation neuer digitaler Medien. Er zeigte praktisch auf, wie Formen eines „kreativen Hackings“ digitaler Tools möglich ist und eröffnete einen Blick auf das Potential, ursprüngliche Funktion digitaler Werkzeuge in Frage zu stellen und erweiternd zu verändern.
Als zentraler mediendidaktischer Ansatz aktivierte der Workshop das spezifische Know-how der Teilnehmer:innen und ihre vorhandenen Fähigkeiten. Insbesondere für die Studierenden des Studiengangs Bühnenbild wurde eine Verbindung zwischen dem Prozess des 3D-Scannens und der Kombination verschiedener analoger Formen, Materialien und Texturen hergestellt. Ihre Vertrautheit mit dem physischen Modellbau wurde wiederum innerhalb des Workflows aufgegriffen und inspirierte die Gestaltung von VR-Raumstrukturen.
Die Studierenden waren beeindruckt, wie intuitiv 3D-Formen in der virtuellen Realität erstellt werden können. In Bezug auf die Zusammenarbeit in der VR hoben die Teilnehmenden die Leichtigkeit hervor, mit der sie zusammen komplexe kollektive Ergebnisse erschaffen konnten, was für eine raumbezogene Disziplin wie das szenographische Arbeiten als besonders wertvoll bewertet wurde. Ein dritter Aspekt, der sehr geschätzt wurde, betraf den einsteigerfreundlichen Arbeitsablauf, der die Freude am künstlerischen Schaffen bewahrt, ohne dass man an komplexen und anspruchsvollen technologischen Setups scheitert. Auf der Grundlage dieser positiven Lernerfahrung ermutigte der Workshop die Studierenden, das Potential co-verwandter digitaler Workflows weiter zu erforschen und dabei vor allem ihren eigenen Fähigkeiten im Umgang mit komplexen Tools und VR-Plattformen zu vertrauen.
Die Freude am Schaffen bewahren